Gerechtigkeit

Die Perspektive der Jugendverbände auf die Rente

Die DBJR-Vollversammlung hat am 27./28. Oktober 2017 die Position „Solidarisch in die Zukunft – Die Perspektive der Jugendverbände auf die Rente“ beschlossen:

Der DBJR begrüßt die derzeit stattfindende Debatte um die Neuausrichtung der Rentenpolitik. Die Diskussion um die politische Ausgestaltung der Rente darf nicht nur als ein Thema der älteren Generationen gesehen werden. Auch junge Menschen wollen jetzt und später in einer solidarischen Gesellschaft leben. Auch wenn das Renteneintrittsalter der heute 25-Jährigen mit ca. 2060 in ferner Zukunft liegt, werden die Weichen hierfür in der heutigen Rentenpolitik gestellt.

In der politischen Debatte beobachten wir momentan leider häufig, wie selbsternannte „Anwälte der Jugend“ öffentlichkeitswirksam in den Mittelpunkt der Debatte rücken. Mit der Behauptung, die Älteren leben auf den Kosten der Jüngeren[1], wollen sie den Generationenvertrag aufkündigen. Sie sehen die politische Meinungsbildung von der Mehrheit der Älteren bestimmt und führen demographische Argumente an[2], um das Renteneintrittsalter anzuheben und das Rentenniveau[3] zu senken. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die selbsternannten Anwälte der Jugend als ihr Gegenteil. Denn die Folgen solcher Leistungskürzungen im Rentensystem hätte die ins Feld geführte heutige junge Generation zu tragen. Sie müsste den späteren Renteneintritt und das geringere Rentenniveau verkraften. Es handelt sich also um eine glasklare Leistungskürzung im Alter zu Lasten der heutigen Jugend. Um die Folgen dieser Kürzungen im Alter zu dämpfen, sollen die heute jungen Menschen privat für später vorsorgen. Hier entpuppt sich der vermeintliche Generationenkonflikt als eine Frage der Gerechtigkeit: Es sollen weniger Kosten gemeinsam von der Gesellschaft geschultert werden, sondern die Risiken sollen mehr und mehr individuell abgefedert werden. Dabei setzen jedoch gerade junge Menschen auf das Solidarmodell einer gesetzlichen Rente und schenken der privaten Vorsorge, wie der Riester-Rente, kaum Vertrauen[4].

Deshalb bestärkt der DBJR seine Forderungen zur Alterssicherung im Sozialstaat[5] und lehnt einen konstruierten Generationenkonflikt ab.

Anstatt Generationen gegeneinander auszuspielen, setzt der DBJR weiterhin auf vertikale (zwischen den Generationen) und horizontale (innerhalb der Generationen) Gerechtigkeit. Dazu gehört die Absicherung des Lebensstandards genauso wie die Vermeidung von Armut im Alter – sowohl für heutige als auch für künftige Generationen. Daher setzt der DBJR auf den Dialog zwischen den Generationen. Wenn die Politik heute die Weichen stellt, wie es um die Rente in 2040 oder 2050 bestellt sein soll, dann ist die jüngere Generation stärker davon betroffen als die Generation der heutigen Rentner_innen oder der so genannten „Babyboomer“. Umso wichtiger ist hier eine ernstgemeinte Jugendbeteiligung: Es gilt den Jugend-Rentendialog im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) genauso fortzuführen, wie die Zusammenarbeit des DBJRs mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) aufrechterhalten werden muss.

Gesetzliche Rente krisenfest und solidarisch gestalten

Die Altersvorsorge muss generationenübergreifend neu gedacht werden. Lineare Beschäftigungsverhältnisse und Lebensbiographien sind besonders bei jungen Menschen nicht mehr die Regel.

Beiträge solidarisch - bei jeder Erwerbsbiographie

Die Basis der Rentenversicherung sind ihre Beitragszahler_innen. Sie tragen paritätisch mit den Arbeitgeber_innen die Kosten der Altersvorsorge. Diese Herausforderungen zu schultern und dafür auch ihren Beitrag zu leisten, sind die jungen Menschen bereit[6]. Allerdings zahlen längst nicht alle arbeitenden Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung ein:

Immer mehr Menschen sind selbstständig tätig oder haben Phasen selbstständiger Tätigkeit, in denen sie nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Sie müssen in dieser Zeit privat vorsorgen und die volle Beitragshöhe selber tragen. Dies führt bei der Gruppe der Betroffenen zu geringeren Rentenanwartschaften im Alter, ist aber auch für das gesamte Versicherungssystem problematisch: Denn auf diese Weise kommt neben dem demografischen Faktor auch noch ein arbeitsmarktabhängiger Faktor hinzu, der die Gruppe der Beitragszahler_innen im Verhältnis zu der Gruppe der Anspruchsberechtigten schrumpfen lässt. Darüber hinaus ist es problematisch, dass Angehörige der kammerfähigen freien Berufe sich privilegiert in eigenen Versorgungswerken absichern (z.B. Rechtsanwält_innen, Architekt_innen).

Insbesondere bei jungen Menschen ist das Normalarbeitsverhältnis („von der Ausbildung bis zur Rente in Vollzeit in einem Betrieb“), das der gesetzlichen Rente zu Grunde gelegt wird nicht der Regelfall. Die Lebens-, Ausbildungs- und Arbeitsverläufe der jungen Generation wandeln sich zunehmend: Einige beginnen nach der Ausbildung ein Studium, andere haben längere Erwerbspausen aufgrund von Kindererziehung, Pflege oder Weiterbildung.

Leistungen über die Erwerbstätigkeit hinaus berücksichtigen.

Die Rente muss über die existenzsichernde Grundlage für ein würdevolles Leben nach und die Erwerbstätigkeit hinaus auch gesellschaftsrelevante Leistungen des Einzelnen berücksichtigen. Gesellschaftsrelevante Aufgaben (z.B. Pflege von Angehörigen, Kindererziehung, ehrenamtliches Engagement u.v.m.) müssen in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Junge Menschen brauchen ein System der Alterssicherung, die jede individuelle Biographie absichert. Der DBJR fordert daher, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer alle Leistungen berücksichtigenden Versicherung weiterzuentwickeln. In den Augen der Jugendverbände ist es auch notwendig, alle Einkommensarten zur Finanzierung der gesetzlichen Rente hinzuzuziehen. Zum Beispiel Kapitalerträge und Mieteinnahmen: Alle, die besitzen und mit ihrem Besitz Geld verdienen, sollten auch ihren Teil zur Rentenversicherung beitragen[7]. Denn sie ist der erste Schritt zu einer gerechten, krisenfesten und solidarischen Alterssicherung für alle!

Mehrheitlich bei einer Gegenstimme und fünf Enthaltungen beschlossen von der DBJR-Vollversammlung am 27./28 Oktober 2017 in Berlin.

Die Deutsche Beamtenbund-Jugend erklärt nach §14, Absatz 2 der DBJR-Satzung, dass der Beschluss gegen die Grundsätze der Deutsche Beamtenbund-Jugend verstößt.

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[1] Vergleiche z.B. das Streigespräch zwischen Wolfgang Gründinger und Ursula Engelen Kefer vom 28.11.2016, siehe: https://www.vorwaerts.de/artikel/streitgespraech-rente-leben-alten-kosten-jungen

[2] So beispielsweise die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), siehe: http://www.insm.de/insm/kampagne/gerecht-durch-marktwirtschaft/So-geht-gerechte-Rente.html

[3] Das Rentenniveau, auch Standardrentenniveau genannt, ist ein statistischer Durchschnittswert. Es bezeichnet das Verhältnis zwischen der Standardrente (bei einer angenommenen 45-jährigen Erwerbstätigkeit zum Durchschnittsentgelt) und dem Durchschnittsentgelt. Es lag 2016 bei 47,9 Prozent.

[4] Laut der MetallRente Studie 2016 sinkt das Vertrauen der 17 bis 27-jährigen in die private Altersvorsorge auf mittlerweile nur noch 23 Prozent (2010 noch 31 Prozent). Siehe online: https://www.igmetall.de/metallrente-studie-2016-jugend-vorsorge-finanzen-21632.htm

[5] Vgl. DBJR Position 96 Für einen leistungsfähigen Sozialstaat – Sozialpolitische Leitlinien des DBJR und DBJR Position 93 Rente sichern statt Beiträge senken!

[6] Laut der repräsentativen Studie „Junge Generation und gesetzliche Rente: Pessimismus und Perspektiven“ von TNS Infratest im Auftrag der IG Metall sind 72 Prozent der 18 bis 34-jährigen bereit höhere Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn sich dies positiv auf ihre spätere Rente auswirkt. Siehe online: https://www.mehr-rente-mehr-zukunft.de/zahlen-fakten/studie/junge-generation-und-gesetzliche-rente-pessimismus-und-perspektiven.pdf

[7] Vgl. DBJR Position 96 (2013): Für einen leistungsfähigen Sozialstaat - Sozialpolitische Leitlinien des DBJR

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