Kinderrechte

Du hast ein Recht ... auf deine Rechte!

Die DBJR-Vollversammlung hat am 26./27. Oktober 2007 die Position „Du hast ein Recht ... auf deine Rechte!“ beschlossen:

Deutschland hat die Kinderrechtskonvention von 1989 mit der Ratifizierung am 5. April 1992 zu geltendem Recht gemacht. Die UN-Kinderrechtskonvention gilt für alle Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Damit hat Deutschland sich gemäß Art. 4 der Konvention verpflichtet, „alle geeigneten Maßnahmen zur Verwirklichung der anerkannten Rechte [...] unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel“ zu treffen. 18 Jahre UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und 15 Jahre seit der Ratifizierung haben die Position der Kinder und Jugendlichen aber kaum gestärkt. Ihre Rechte wurden kaum umgesetzt und sie werden nicht ausreichend darüber informiert.

Und deswegen fordern wir: Kinderrechte ins Grundgesetz – weil das unser Recht ist!

Warum die Kinderrechte ins Grundgesetz gehören

“Jede Gesellschaft, die Kindern Rechte vorenthält, sollte klare und haltbare Gründe für ihr Vorgehen zu bieten imstande sein. Die Beweislast liegt immer bei jenen, die andere von der Beteiligung ausschließen; Kinder sollen nicht gezwungen werden, dafür eintreten zu müssen, dass sie dieselben Rechte wie alle anderen erhalten.” (Bob Franklin, Politikwissenschaftler UK, 1995)

Da der von Franklin beschriebene Zustand Idealfall, aber nicht Realität ist, formulieren wir einige Argumente, warum Kinderrechte ins Grundgesetz gehören:

  1. Das gern genannte Argument der Enthaltung der Kinderrechte in den Menschenrechten trägt nicht weit. Das Grundgesetz legt die Grundlagen des Verständnisses über das Zusammenleben fest. Bisher kommen Kinder und Jugendliche dort nur als Objekte elterlicher Pflege und Fürsorge, nicht als Subjekte vor. Im Gegensatz zu vielen anderen Bevölkerungsgruppen, die ebenso nicht eigenständig erwähnt sind, sind Kinder und Jugendliche aber von vielen Grundrechten bisher tatsächlich ausgeschlossen.
  2. „Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind bereits welche.“ (Janusz Korczak). Das Bundesverfassungsgericht hat Kinder zu Grundrechtsträgern erklärt, auch wenn dies im Grundgesetz nicht eindeutig formuliert ist. Kinder und Jugendliche können die ihnen zustehenden Rechte fast nur über ihre Eltern ausüben, „sie vertreten das Kind in allen Angelegenheiten“. In der Praxis sind Kinder und Jugendliche bisher faktisch „rechtlos“. Dass sich dies schon vor dem 18. Lebensjahr in einigen Bereichen ändert, zeigt, dass es sich lohnt, die gesellschaftlich gesetzte Altersgrenze genau zu hinterfragen und zu bezweifeln, dass sie einen solchen Rechtsentzug rechtfertigt. Die Auslegung des Bundesverfassungsgerichts reicht also nicht: Für rechtliche Klarheit brauchen wir einen Artikel im Grundgesetz, der den Kindern und Jugendlichen die allgemeinen Grundrechte und ihre speziellen Kinderrechte zuerkennt.
  3. Die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz führt zu einer gesellschaftlichen Veränderung der Stellung der Kinder und Jugendlichen. Nicht nur die Debatte zur Gesetzesänderung wird hierbei ein wichtiger Beitrag sein. Auch dass die Bundesrepublik Kindern und Jugendlichen einen Platz in ihrem höchsten Gesetzestext gibt, setzt ein Zeichen, dass Kinder und Jugendliche mit ihren Rechten und ihrem Wohl ein hohes Wertmaß erhalten haben, das in jeder Hinsicht zu berücksichtigen ist.
  4. Deutschland hat die Kinderrechtskonvention ratifiziert. Aber auch heute, 15 Jahre danach, können Rechte, die aus der Konvention folgen, noch nicht eingeklagt werden. Um dies grundlegend zu ändern, bedarf es der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz.
  5. Kinder und Jugendliche sind eigenständige Menschen, keine Anhängsel! In der politischen Landschaft landen kinder- und jugendpolitische Forderungen zumeist in der „Familienpolitik“. Kinder und Jugendliche sind also in der politischen Welt noch immer Anhängsel ihrer Eltern, der Familie. Sie werden damit weiterhin als rechtlich unselbstständig behandelt und als Menschen ohne eigene Interessen weggeschoben.
  6. Im Bewusstsein, dass rechtliche Maßnahmen nur ein Aspekt bei der Umsetzung der Kinderrechtskonvention sein können, sind wir der Überzeugung, dass der Aufnahme dieses Grundrechts in das Grundgesetz mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen eine wichtige Bedeutung zukommt.

Was soll drin stehen?

Die Kinderrechtskonvention selbst umfasst insgesamt 54 Artikel. Sie lassen sich im Wesentlichen fünf Grundprinzipien zuordnen: Überleben, Entwicklung, Schutz, Bereitstellung von Ressourcen und Partizipation. Die Änderung des Grundgesetzes bei der Aufnahme der Rechte der Kinder muss als Grundrecht insbesondere folgende Inhalte festschreiben, um die Kinderrechte als Ganzes zu berücksichtigen:

  1. das Recht auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung, und zwar nicht in Abhängigkeit vom Umfeld, sondern als Individuum. (Art.6, Absatz 2 der UN-KRK),
  2. die Anerkennung von Kindern und Jugendlichen als Rechtssubjekte,
  3. den Vorrang des Kindeswohls (Art 3 der UN-KRK, Art 24 der EU-Grundrechte Charta),
  4. das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit,
  5. die Rechte auf Schutz, bestmögliche Förderung und Beteiligung,
  6. das Recht auf Bildung und
  7. das Recht auf das Vorfinden kindgerechter Lebensbedingungen.

Wir verstehen unter „bestmöglicher Förderung“ kostenlose und integrative Erziehungs- und Bildungsinstitutionen sowie eine individuelle Unterstützung zur Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten unabhängig von Elternhaus und Geldbeutel. Wir verstehen unter kindgerechten Lebensbedingungen die Abschaffung von Kinderarmut, eine sichere und attraktive Umwelt der Kinder und Jugendliche, Raum für die Entwicklung eigener Meinungen, des Selbstbewusstseins und der Selbstbestimmung über sich und das eigene Leben. Wir verstehen unter „Vorrang des Kindeswohls“ die Einbeziehung der Interessen und auch Meinungen von Kindern und Jugendlichen bei allen sie betreffenden Maßnahmen und Entscheidungen. Darüber hinaus fordert der Deutsche Bundesjugendring erneut die Bundesregierung und die Länder auf, die Vorbehalte gegenüber der bereits ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention zurück zu nehmen.

Was hat das für Folgen?

  • Aus der Grundgesetzänderung ergeben sich aus unserer Sicht zwangsläufig folgende Konsequenzen:
  • die Rücknahme der Vorbehaltserklärung bei Kindern und Jugendlichen ohne deutschen Pass. Die Rechte gelten für JEDES Kind im Hoheitsgebiet (Art 2), die Zugehörigkeit richtet sich nach der Volljährigkeitsregelung des Landes, also 18 Jahre (Art. 1).
  • die Absenkung des Wahlalters.
  • der Ausbau bereits vorhandener und die Entwicklung neuer Formen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen und Prozessen.
  • die Bereitstellung von Ressourcen und Strukturen zur „bestmöglichen Förderung“ von Kindern und Jugendlichen.
  • Eine Implementierung von Kinderrechten in das Grundgesetz bietet die Möglichkeit, die entsprechenden Rechte einzuklagen. Bei Verletzung der Rechte kann dann eine Verfassungsbeschwerde eingereicht werden.

Bei fünf Enthaltungen von der 80. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings am 26./27.10.2007 in Hannover beschlossen.

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