Demokratie

Für eine solidarische Gesellschaft, für eine lebendige Demokratie

Ein gemeinsames Positionspapier des Deutschen Bundesjugendrings und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen:

Als demokratisch organisierte Interessenvertretungen von Kindern und Jugendlichen sowie von Seniorinnen und Senioren bekennen sich der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) zu ihrer gemeinsamen Verantwortung für eine solidarische und vielfältige Gesellschaft in einem friedlichen und demokratischen Europa. Wir tun dies vor dem Hintergrund antidemokratischer und antieuropäischer Strömungen, auch in unserem Land. Und wir wollen damit zeigen, dass Jung und Alt – entgegen mancher Mutmaßung – in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen zusammenstehen.

Demokratie gestalten, Frieden wahren

Die Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen ist eine Grundlage unserer Demokratie. Der Grundsatz „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz) bedeutet für uns das Recht auf Mitwirkung und die Mitverantwortung für die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Das gilt für alle Lebensbereiche, unabhängig von Alter und Geschlecht.

Menschen sind aufeinander angewiesen, ganz besonders am Lebensanfang und am Lebensende. Wir wollen dazu beitragen, dass alle so selbstbestimmt wie möglich leben können. Selbstbestimmung muss ermöglicht sein und sie erfordert Selbstverantwortung.

Wir stehen für eine Interessenvertretung, die das Leben in allen seinen Phasen umfasst. Interessenvertretung in unserer Demokratie heißt für uns: sichtbar zu machen, was ist, neue Ideen einzubringen und Wege zu deren Verwirklichung vorzuschlagen. Das beinhaltet auch das Ringen um gute Lösungen.

Wir verurteilen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus. Und wir sehen mit Sorge, dass viele Menschen einfache Wahrheiten suchen und dabei demokratiefeindlichem, populistischem Gedankengut folgen und Lügnern auf den Leim gehen. Wir alle stehen in der Verantwortung, uns dem entgegenzustellen – im persönlichen Umfeld ebenso wie im öffentlichen Raum (zu dem auch das Internet gehört). Es gilt, die politische Bildungsarbeit auszubauen.

Und wir bekennen uns zur europäischen Einigung, der wir einen seit vielen Jahrzehnten währenden Frieden verdanken. Wir wollen nicht weniger Europa, wir wollen mehr Europa. Wir wollen Brücken bauen, keine Mauern und Zäune!

Nachhaltige Entwicklung

Eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Gesellschaft ist die – generationenübergreifende – Verständigung auf die globalen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung für alle Menschen. Wir sind uns bewusst, dass – auch im Interesse unseres Landes – die Menschen und die Lebenswirklichkeit in anderen europäischen Ländern sowie weltweit unsere Aufmerksamkeit und unser Handeln verlangen. Die großen ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragen, die Fragen der Menschenrechte und des Friedens sind nicht isoliert nationalstaatlich lösbar.

Wir sehen, dass unsere europäischen und mehr noch unsere globalen Möglichkeiten begrenzt sind. Aber manches ist doch möglich. Die Dimension der Herausforderungen darf uns nicht davon abhalten, mit besonderem Nachdruck klare Prioritäten zu setzen: ökologisch – Schutz der Umwelt; ökonomisch – dauerhafte Sicherung der Leistungs- und Wohlstandsfähigkeit. Dazu sind Forschung und Innovation sowie Qualifikation unverzichtbar; sozial – Wohlstand muss gerecht geteilt werden. Lebenschancen müssen allen Menschen garantiert sein, unabhängig von Herkunft und Wohnort.

Auch die Fragen nach Sicherung der Menschenrechte und des friedlichen Miteinanders stellen sich zuerst konkret vor Ort und sind abhängig von der Bereitschaft zur Solidarität in unserer Gesellschaft. Dabei ist jede bzw. jeder Einzelne gefordert. Von diesem Gedanken lassen wir uns leiten. Das gilt im Übrigen auch für die Aufnahme asylberechtigter Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, und für deren Integration.

Beteiligung aller

Für uns ist essenziell, dass sich Beteiligung nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt. In einer lebendigen demokratischen Gesellschaft muss eine selbstbestimmte Beteiligung aller möglich sein. Im Mittelpunkt muss stehen, Beteiligung zu ermöglichen. Finanzielle und räumliche Bedingungen dürfen dabei nicht entscheidend sein. Und auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen müssen gleiche Teilnahmemöglichkeiten eröffnet werden.

Junge wie Alte müssen für sich selbst entscheiden können, wie und wann sie sich in politische Prozesse einbringen. Das betrifft auch die Frage einer altersmäßigen Beschränkung von aktivem oder passivem Wahlrecht. Das Lebensalter allein ist weder nach oben noch nach unten ein geeigneter Maßstab dafür, ob und wann ein Mensch fähig ist, sich in politische Prozesse einzubringen.

Gleichstellung

Gleichstellung ist und bleibt wichtig. Das Grundgesetz formuliert die Gleichheit der Geschlechter. Die Umsetzung dieser festgeschriebenen Gleichheit ist allerdings nicht überall gewährleistet. Geschlecht ist noch immer ein wesentlicher Grund für Ungleichheit, und obwohl es in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gab, lassen sich leider auch Rückschritte beobachten. Geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen sind weit verbreitet und offener Sexismus nimmt zu. Strukturelle Diskriminierung wird häufig nicht hinterfragt und als individuelles Problem gewertet. Dabei durchzieht sie bereits im Jugendalter viele Lebensbereiche und ist Auslöser für größere Ungleichheit im Alter – aus dem „gender pay gap“ wird der „gender pension gap“.

Armutsvermeidung

Jugendarmut wie Altersarmut erschweren eine Teilhabe. Wir sehen es als eine vordringliche Aufgabe, Armut in allen Lebenslagen, insbesondere auch bei Alleinerziehenden und ihren Kindern, zu vermeiden und zu bekämpfen. Ein Aufwachsen, das durch Armut geprägt ist, verschlechtert die Chancen von Kindern und Jugendlichen maßgeblich.

Besonders schwierig für Jugendliche und junge Erwachsene sind zudem die Übergangsphasen (Schule zu Ausbildung und Ausbildung zu Arbeit), dort ist das Risiko, in Arbeitslosigkeit und Armut abzugleiten, besonders hoch. Hinzukommen befristete Beschäftigungen und Leiharbeit (vor allem bei den unter 35-Jährigen), geringe Löhne, unterbrochene Erwerbsbiografien und Teilzeitarbeit (auch aufgrund von Eltern- und Pflegezeiten) und die daraus resultierende Befürchtung, sich im Alter nicht auf die staatliche Rente verlassen zu können. Langzeitarbeitslosigkeit stellt ein besonders hohes Armutsrisiko im Alter dar.

Neben der Linderung von Armutsfolgen muss der Fokus noch stärker auf die Schaffung von Grundlagen für die Vermeidung von Armut gelegt werden. Dazu müssen junge wie alte Menschen gleiche (Bildungs-)Chancen und Möglichkeiten der Teilhabe erhalten.

Interkulturelles Zusammenleben

Die Frage nach dem guten Zusammenleben verschiedener Nationalitäten und Kulturen bewegt junge wie alte Menschen in Deutschland. Unterschiedliche Erfahrungen mit Krieg, Frieden und Flucht prägen die jeweilige Generation und zeigen dennoch deutliche Parallelen auf. Im Mittelpunkt steht: Ein Leben in Frieden und Freiheit und ohne Furcht vor Krieg und Verfolgung muss für alle Menschen möglich sein. Fluchtgründe müssen in den Herkunftsländern bekämpft werden und alle in Deutschland lebenden Menschen müssen faire Chancen für gleichwertige Lebensbedingungen erhalten. Neiddebatten dürfen keinen Nährboden erhalten.

Der internationale Austausch sowohl junger als auch alter Menschen ist ein wichtiges Mittel, um das friedliche Nebeneinander verschiedener Kulturen langfristig zu sichern. Internationale Verständigung, der Respekt des anderen und die wertfreie Anerkennung unterschiedlicher Interessen sind Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben.

Digitalisierung

Eine digitale Welt stellt alle Generationen vor neue und teils unterschiedliche Herausforderungen. Neben der Sicherung des gleichberechtigten technischen Zugangs für alle erhalten Fragen wie der Schutz des Urheberrechts, die Sicherung der Netzneutralität und der Datenschutz neue Bedeutung. Fragen dazu müssen für Menschen jeden Alters beantwortet werden. Die Lebens- und Arbeitswelt alter wie junger Menschen verändert sich und fordert Anpassungen. Die Digitalisierung in der Arbeitswelt ist für junge Menschen selbstverständlich, für viele ältere kann sie zum Erhalt der Selbstständigkeit beitragen. Ihr Einsatz in der Pflege und im Gesundheitswesen bringt ebenfalls neue Chancen, aber auch neue Abhängigkeiten mit sich.

Den deutlich verbesserten Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung und Meinungsbildung steht die Diskussion um „Fake News“ gegenüber. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Meldungen beeinflusst unser Leben ebenso wie die ständige Diskussion um neue Gefahren aus der digitalen Welt. Uns ist daher wichtig, jeweils positive wie negative Seiten in die Betrachtung und Bewertung einzubeziehen.

Ehrenamtliches Engagement

In allen Altersgruppen gibt es Menschen, die sich in Vereinen und Verbänden, Initiativen und Gruppen, in Kirchen und Gewerkschaften sowie in den demokratischen Parteien engagieren. Sie sind damit tragende Säulen unserer Demokratie.

Dieses Engagement muss durch passende Rahmenbedingungen vor allem auf der kommunalen Ebene ermöglicht und nachhaltig gestärkt werden. Dazu gehören auch Informations- und Beratungsangebote. Um die Nachhaltigkeit sicherzustellen, sprechen wir uns dafür aus, die Förderung des freiwilligen Engagements zu einer kommunalen Pflichtaufgabe zu machen und die Kommunen mit den dazu notwendigen Mitteln auszustatten. Das dient auch dem Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.

Vor allem junge Menschen brauchen Freiräume für ihr Engagement. Dazu müssen bürokratische Hürden reduziert, Räume zur tatsächlichen Erfahrung von Selbstwirksamkeit geschaffen und zeitliche wie finanzielle Möglichkeiten bereitgestellt werden.

Persönliche Voraussetzungen dürfen – altersunabhängig – keine Kriterien für ein freiwilliges Engagement sein. Auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder in besonderen Lebenslagen müssen Zugang zu ehrenamtlichem Engagement haben.

Die beste Anerkennung von freiwilligem Engagement ist seine Unterstützung. Eine Kultur der Anerkennung geht aber über symbolische Maßnahmen hinaus. Bildungs- und Qualifizierungsangebote sind ebenso wichtig wie Generationen- und interkulturelle Projekte als gegenseitige Bereicherung.

Solidarität der Generationen

Viele gesellschaftliche Herausforderungen, für die die Politik um Lösungen ringt, betreffen alle Generationen. Besonders deutlich wird das beim Thema „Pflege“. Von allen Verbesserungen im Pflegesystem profitieren nicht nur die Pflegebedürftigen, sondern auch ihre Angehörigen und die Menschen in Pflegeberufen, darunter viele junge Fachkräfte sowie Freiwilligendienstleistende. Um Überforderung zu vermeiden, müssen wir die Selbstständigkeit von Pflegebedürftigen erhalten und wir brauchen Arrangements, die auf die Grenzen aller Beteiligten Rücksicht nehmen.

Nicht immer decken sich die Interessen junger Menschen mit denen von Menschen fortgeschrittenen Alters. Es gibt Unterschiede: Kindheit und Jugend sowie unterschiedliche Lebensbedingungen prägen Menschen. Doch wir sind Verbündete im demokratischen und gesellschaftlichen Miteinander. Bei unterschiedlichen Interessen suchen wir gegenseitiges Verständnis und – darauf aufbauend – sinnvolle Kompromisse.

Wir sehen keine schwerwiegenden Differenzen zwischen den Generationen. Streitpunkte gibt es eher quer durch die Generationen – zwischen denen mit mehr oder weniger Bildungschancen, zwischen denen mit oder ohne gesichertes Einkommen, zwischen vermögenden und armen Menschen. Alles zum Generationenproblem oder gar Generationenkonflikt zu erklären, ist Unsinn. Und es versteht sich von selbst, dass Probleme nicht einseitig zulasten der einen oder anderen Generation gelöst werden können. Dafür setzen wir uns ein.

Wir appellieren an alle, Jüngere und Ältere, sich in unserer Gesellschaft aktiv und demokratisch zu beteiligen. Wir leisten dazu unseren Beitrag. Wir erwarten viel vom Staat da, wo er zuständig ist. Aber wir wissen auch, wie wichtig zivilgesellschaftliches Engagement für eine solidarische Gesellschaft und eine lebendige Demokratie ist.

Was am dringlichsten getan werden muss:

  1. Demokratie ist kein Schaukelstuhl. Jede und jeder von uns ist gefordert. Das ehrenamtliche Engagement ist eine tragende Säule unserer Demokratie.

  2. Wir stellen alle Altersgrenzen in Frage, denn die Anzahl der Lebensjahre sagt sehr wenig über Fähigkeiten und Fertigkeiten aus.

  3. Wir setzen uns für eine positive Entwicklung der Gleichstellung der Geschlechter ein – Rückschritte können und wollen wir nicht akzeptieren.

  4. Die Vermeidung von Armut ist eine vordringliche Aufgabe. Gleiche Bildungschancen sehen wir dabei als essenziell an. Eine vom Wandel geprägte Welt erfordert lebenslanges Lernen.

  5. Respekt und Anerkennung, auch in der politischen Auseinandersetzung, sind Grundlage für ein friedliches Miteinander.

 

Die BAGSO vertritt über ihre 117 Mitgliedsorganisationen viele Millionen ältere Menschen in Deutschland.

Der DBJR vertritt als Arbeitsgemeinschaft von 35 Jugendverbänden und 16 Landesjugendringen mehr als sechs Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland.

Berlin/Bonn, im Mai 2018

Themen: Demokratie