Internationale Jugendpolitik

Interview mit den neuen Jugenddelegierten zur UN-Generalversammlung

Foto der beiden UN-Jugenddelegierten.
Eva Croon und Paul Klahre sind die neuen Jugenddelegierten zur Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN). Im Interview sprechen die beiden über ihre Ziele und Erwartungen, die Bedeutung der Perspektive junger Menschen und ihren ganz persönlichen Bezug zur Jugendverbandsarbeit.

Seit 2005 gibt es in Deutschland zwei Jugenddelegierte, die die deutsche Delegation zur Generalversammlung der Vereinten Nationen nach New York begleiten und direkte Jugendbeteiligung auf internationaler Ebene sichern. Sie setzen sich für die Belange junger Menschen ein, indem sie politisch Verantwortlichen als Experten*innen in Sachen Jugendfragen die Wünsche und Bedürfnisse junger Menschen näher bringen.

Für 2020 wurden Eva Croon und Paul Klahre als neue Jugenddelegierte zur UN-Generalversammlung ausgewählt. Ihre einjährige Amtszeit besteht in der Hauptsache aus zwei Teilen. In der ersten Phase werden sie die Meinungen, Visionen und Forderungen von Jugendlichen in Deutschland sammeln. Höhepunkt der zweiten Phase ist die Teilnahme bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Oktober in New York. Auch bei der Sozialentwicklungskommission im Februar werden die beiden den Interessen der Jugendlichen Gehör zu verschaffen.

Eva ist Studentin der Rechtswissenschaften in Köln und beim Deutschen Jugendrotkreuz als Internationale Botschafterin aktiv. Paul ist bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg Beauftragter für Internationales und studiert in Dresden Internationale Beziehungen. Was die ehrenamtliche Arbeit in Jugendverbänden für sie persönlich bedeutet und welche Erwartungen sie an ihre Amtszeit als Jugenddelegierte haben, erzählen die beiden im Interview.

Frage: Was sind eure Erwartungen und Ziele für die Zeit als Jugenddelegierte?

Eva: Wir sind gerade dabei, inhaltlich im Amt anzukommen, uns in alle laufenden Prozesse hineinzufinden, Kontakte zu unseren Partner*innen aufzubauen und uns dabei selbst noch kennenzulernen. Wir wissen bereits, dass das Jahr als Jugenddelegierte sehr anspruchsvoll und erlebnisreich sein wird und freuen uns unglaublich darauf!

Bei unseren Erwartungen steht vor allem viel Austausch mit jungen Menschen in Deutschland im Vordergrund. Dabei müssen wir uns aufgrund der aktuellen Lage einiges ausdenken, um ein inhaltlich hochwertiges Angebot online zu machen. Mit unseren Träger*innen und Partner*innen erwarten wir eine gute Zusammenarbeit. Auch während unserer Zeit bei den Vereinten Nationen in New York hoffen wir auf möglichst intensiven und produktiven Austausch mit der Ständigen Vertretung Deutschlands, dem Youth Envoy Office, der EU und anderen Delegierten, vor allem aber den Jugenddelegierten anderer Länder.

Unser primäres Ziel ist es natürlich, den Austausch mit jungen Menschen möglichst inklusiv, divers und konstruktiv zu gestalten. Wir sehen Potenzial im Austausch mit Jugendverbänden. Dabei legen wir viel Wert darauf, noch nicht politisierte Jugendliche zu erreichen, die vielleicht gar nicht wissen, was die Vereinten Nationen sind. Wir möchten gerne Ideen, Meinungen und Forderungen von Jugendlichen sammeln und diese möglichst effektiv in der UN-Politik – also in Reden, Resolutionen und gemeinsamen Statements – umsetzen. Außerdem werden wir auch UN-Inhalte ins Bewusstsein rücken, informieren und dafür sensibilisieren, dass die UN über Themen des alltäglichen Lebens berät. Diese würden wir gerne niederschwellig kommunizieren, um in einen Austausch einzuladen. Wir möchten mit anderen Jugenddelegierten, national wie international, inhaltlich arbeiten, viel kooperieren und diese stärken.

Frage:  Warum sollen die Interessen junger Menschen bei den Vereinten Nationen vertreten werden?

Paul: Alle politischen Entscheidungen von heute betreffen uns junge Menschen. Das erklärt bereits, weshalb junge Menschen bei den Vereinten Nationen mitgestalten müssen. Wenn das mehr Menschen verstehen, ist schon viel erreicht. Die Zusammenarbeit zwischen Staaten hängt von Interessen und Meinungen ab – und nicht wissenschaftlicher Erkenntnis. Gibt es ein einziges Argument dagegen, dass junge Menschen diese Interessen mitbestimmen? Natürlich nicht, ganz im Gegenteil: alles spricht dafür, die Themen junger Menschen oben auf die Agenda von Entscheider*innen zu setzen.

Junge Menschen verbessern durch ihre Mitarbeit Entscheidungen. Dass die Vereinten Nationen in ihrer Jugendstrategie die verstärkte Einbeziehung von Jugendlichen fordern, ist ja kein Zufall. Junge Menschen sind unverzichtbar, um die Ziele der Vereinten Nationen zu verwirklichen! Etwa zur lokalen Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) oder für globale Friedensbemühungen. Häufig werden junge Menschen agents for change genannt. Damit sie tatsächlich positiven Wandel bewirken können, brauchen sie mehr Verantwortung. Die Perspektive junger Menschen ist die Perspektive der halben Welt. Diese Perspektive darf bei den Vereinten Nationen, dort, wo diese Welt gestaltet wird, nicht fehlen.

Frage: Welche Bedeutung hat Jugendverbandsarbeit für euch persönlich?

Paul: Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) bietet mir als Jugendverband von klein auf einen Ort, an dem ich mich entwickeln kann. Tolle Gruppendynamik erleben, Fähigkeiten austesten, viel Spaß und so viel lernen, wie sonst nirgends. Jugendverbände bieten darüber hinaus die Strukturen, Engagement zu ermöglichen und Ressourcen zu mobilisieren. Als Teil der Bundesleitung der DPSG erlebe ich, wie viel Kreativität, Herz und Wissen verschiedene Menschen in einen Verband tragen können. Es ist ein großes Glück, dass Verbände in Deutschland so viele Angebote für Jugendliche machen. Diese Möglichkeiten empfinde ich als großes Privileg, das ist in vielen anderen Ländern leider nicht der Fall.

Seit ich wieder richtig aktiv Verbandsarbeit mache, entdeckte ich einen wichtigen Teil meiner Identität wieder. Einen Teil, den ich sehr gerne mag. Denn in Jugendverbänden zählt nicht die wirtschaftliche oder schulische/akademische Leistungsfähigkeit. Hier wird Individualität geschätzt, jede*r kann einen Platz finden. Meine Erfahrungen in Verbänden haben auch immer mit der Verjüngung von Strukturen zu tun. In manchen Gremien war ich plötzlich der Jüngste. Das ist die richtige Entwicklung, denn junge Menschen müssen in Jugendverbänden Entscheidungen treffen.

Natürlich bedeutet Jugendverbandsarbeit für mich auch einen großen zeitlichen Einsatz. Deshalb möchte ich an dieser Stelle zuletzt meine Bewunderung für alle engagierten Ehrenamtlichen in ihren Verbänden aussprechen, die großartiges Leisten und so unsere Welt ein bisschen besser hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben - wie der Gründer einer der weltweit größten Jugendbewegung einst sagte.

Eva: Jugendverbandsarbeit ist als außerschulische Bildungsmöglichkeit eine wichtige und wertvolle Möglichkeit, Demokratie zu erleben und mitzugestalten. In Verbänden setzen sich die Angehörigen kritisch mit ihren Herzensthemen auseinander und beeinflussen so ihr Umfeld nach ihren Wünschen.  Junge Menschen lernen, ihre Bedürfnisse, Interessen und Anliegen zu äußern. Diese tragen sie in gesamtgesellschaftliche Diskurse und bekommen die Möglichkeit, diese über entsprechende Strukturen wie den Jugendringen gegenüber Parteien, Mandatstragenden, der Verwaltung und anderen an der politischen Willensbildung beteiligten Gruppen und Organisationen zu vermitteln.

Seit über sieben Jahren bin ich Mitglied im Deutschen Jugendrotkreuz und konnte meine Fähigkeiten auch als Leitungskraft früh entwickeln. Seit jeher bietet mir meine Heimatorganisation einen Raum, mich selber auszuleben, auszuprobieren und weiterzuentwickeln. Das tolle daran ist, dass die verbandlichen Strukturen Engagement nicht nur auf Kreisebene zugelassen haben, sondern auch Wege zu nationalem und internationalem Engagement aufgezeigt haben. In Malaysia beim Mangrovenpflanzen mit malaysischen Jugendlichen über Möglichkeiten zur Partizipation zu sprechen und die Lebenswelten dieser kennenzulernen oder über Stellungnahmen zur besseren Umsetzung von internationalem Menschenrecht aus Jugendperspektive für die Generalversammlung der Rotkreuz-Rothalbmond-Gesellschaft durch die Strukturen meines Jugendverbandes zu sprechen, ist ein absolutes Privileg, das ich auch anderen jungen Menschen ermöglichen möchte. Den eigenen Horizont dabei zu erweitern und andere Ideen zu erleben, ist eine Chance, die jeder junge Mensch nutzen sollte. Das Beste bei all der Arbeit im Jugendverband ist aber das Gefühl, ein zweites Zuhause gefunden zu haben.

Das Jugenddelegiertenprogramm ist unter der Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) und des Deutschen Nationalkomitees für internationale Jugendarbeit (DNK). Das DNK ist eine Arbeitsgemeinschaft vom Deutschem Bundesjugendring, der Deutschen Sportjugend und dem Ring Politischer Jugend. Weitere Infos unter www.jugenddelegierte.de.

 

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