Europapolitik Geflüchtete

LEBEN retten! Seenotrettung im Mittelmeer sicherstellen und solidarische Flüchtendenpolitik endlich umsetzen

Die DBJR-Vollversammlung hat am 25.-27. Oktober 2019 die Position „LEBEN retten! Seenotrettung im Mittelmeer sicherstellen und solidarische Flüchtendenpolitik endlich umsetzen“ beschlossen.

Seit Jahren fliehen Menschen vor Krieg, Verfolgung, Hunger und den Folgen des Klimawandels über das Mittelmeer. Gerade junge Menschen wagen auf der Suche nach Schutz und nach einer Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben die Flucht über das Meer nach Europa. Oft mit fatalen Folgen: Viele Tausende sterben jährlich auf der Flucht nach Europa. 2018 starben täglich durchschnittlich sechs Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren1. Auch in diesem Jahr ertranken bereits bis Anfang Oktober alleine über tausend Menschen im Mittelmeer2.

Die Bundesregierung und die Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union reagierten auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 mit einer Politik der Abschottung und Abschreckung, ohne die vielfältigen Fluchtursachen nachhaltig zu beseitigen. Sie riegelten die EU-Außengrenze hermetisch ab und kooperierten mit autoritären Drittstaaten und Diktaturen, um Flüchtende bereits abzuwehren, ehe sie die Grenze der Union erreichen.

Dem andauernden Ertrinken im Mittelmeer sehen die Staaten der Europäischen Union dagegen immer noch tatenlos zu. Eine staatlich organisierte Rettung bleibt aus.

Zur Sicherung der im Völkerrecht verbrieften Seenotrettung und dem unverhandelbaren Recht auf Leben, übernehmen gemeinnützige Organisationen aus der Zivilgesellschaft hier Verantwortung. Oft führen junge Europäer*innen unter dem Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Seenotrettungsmissionen zum Erfolg. Die Leben hunderttausender3 Menschen konnten so bisher gerettet werden.

Die zivilen Helfer*innen organisieren sich in Vereinen, Verbänden oder NGOs und werden durch Spenden insbesondere aus der Zivilgesellschaft unterstützt. Auch viele ehrenamtlich Aktive aus den Jugendverbänden beteiligen sich an den Rettungsmissionen. Zahlreiche Jugendverbände bekunden in Bündnissen, Demonstrationen und Beschlüssen ihre Solidarität mit den Helfenden.

Von staatlicher Seite selbst fehlt hingegen die Unterstützung für die zivilen Retter*innen. Zahlreiche europäische Politiker*innen und Institutionen verhindern Rettungseinsätze, lassen überfüllte Schiffe mit Geretteten wochenlang auf offener See auf der Suche nach offenen Häfen ausharren. Obwohl die zivilen Rettungsmissionen auf internationalem Seerecht und Humanität basieren, kriminalisieren zahlreiche Politiker*innen und Medien die Helfer*innen.

Die unterlassene Hilfeleistung der europäischen Regierungen ist ein politischer Skandal!

In ihrer Folge ist das Leben flüchtender Menschen auch weiterhin unmittelbar bedroht. Nun gilt es das stark beschädigte Vertrauen in die Europäischen Werte, insbesondere die Achtung der Menschenwürde, die Wahrung der Menschenrechte sowie der Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen.

Als im Deutschen Bundesjugendring organisierte Jugendverbände haben wir uns stets für "uneingeschränkte Solidarität mit den nach Europa flüchtenden Menschen"4 eingesetzt. Um diese zu gewährleisten, erwarten wir von der deutschen und europäischen Politik, endlich die humanitäre Katastrophe zu beenden und eine solidarische und menschenrechtsbasierte Flüchtendenpolitik zu schaffen. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung und den europäischen Institutionen:

  • dass die EU ihren völker- und rechtsstaatlichen Verpflichtungen Schutzsuchenden gegenüber in vollem Umfang gerecht wird und alle Mitgliedstaaten ihre Verantwortung für eine menschenwürdige Aufnahme wahrnehmen.
  • dass die EU-Staaten ihre internationale Verpflichtung zur Seenotrettung ausüben, indem sie Sanktionen für humanitäre Hilfe an Flüchtenden abschaffen und ein System staatlicher Seenotrettung aufbauen.
  • dass die andauernde Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von zivilen Seenotretter*innen umgehend beendet wird.
  • dass sichere, transparente und legale Wege für Schutzsuchende in die EU, zum Beispiel über europäische Resettlement-Programme, die Vergabe humanitärer Visa oder erleichterten Familiennachzug geschaffen werden.
  • gemäß den Empfehlungen des Europäischen Flüchtlingsrats ein reguläres System zur fairen und solidarischen Verteilung Geflüchteter in allen Ländern der Europäischen Union zu etablieren.
  • eine Zuweisung von sicheren Häfen durch die Rettungsleitstellen. Das internationale Seerecht schreibt vor, dass aus Seenot gerettete Menschen nur an einem “sicheren Hafen” an Land gebracht werden dürfen (Art. 98 SRÜ).
  • dass aus unserem humanitären Verständnis heraus Länder, in denen die geretteten Menschen weiteren Gefahren ausgesetzt oder ihre Grundbedürfnisse nicht gesichert sind, keine sicheren Häfen bieten können – beispielsweise Libyen oder Tunesien.
  • dass die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union mit autoritären Drittstaaten und Diktaturen, die für die EU Migrant*innen abwehren sollen, ehe sie die Grenzen Europas erreichen, und dabei Menschenrechte missachten, beendet wird.
  • dass die lebensgefährliche Rückführung von Geflüchteten in für sie unsichere Häfen beendet wird, dass keine Strukturen aufgebaut und unterstützt werden, die völkerrechtswidrig handeln (Refoulments, Push-Backs, etc.) vornehmen. Stattdessen sollen sich die Bundesregierung und die EU über ihre Außen-, Entwicklungs-, Agrar-, Klima-, Handels-, Rohstoff- und Fischereipolitik stärker an der tatsächlichen Bekämpfung der Fluchtursachen beteiligen und sich für die Freilassung aller völkerrechtswidrig internierter Schutzsuchender stark machen.

 

Einstimmig beschlossen von der Vollversammlung am 25.-27. Oktober 2019 in Berlin.

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1 www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/aktuelles/news/uebersicht/detail/artikel/unhcr-bericht-jeden-tag-6-tote-im-mittelmeer/, abgerufen am 27.09.2019

2 missingmigrants.iom.int/region/mediterranean, abgerufen am 03.10.2019

3 www.aerzte-ohne-grenzen.de/unser-seenotrettungseinsatz, abgerufen am 09.10.2019 und www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/eu-seit-2015-an-rettung-von-730-000-fluechtlingen-beteiligt,RMJ0dz7, abgerufen am 09.10.2019

4 www.dbjr.de/artikel/uneingeschraenkte-solidaritaet-mit-fluechtenden-menschen/, abgerufen am 10.10.2019.

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