Nachdenken über Partizipation in der Jugendverbandsarbeit
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Professor Dr. Rolf Ahlrichs forscht und arbeitet an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Der Experte für Demokratie in der Vereinsarbeit hat im Jahr 2022 gemeinsam mit Dr. Stefan Hoffmann die Studie „Demokratische Partizipation in der Jugendverbandsarbeit“ (Nomos) publiziert. Das „Nachdenken über Partizipation“ mit Professor Ahlrichs folgte der kurz vorher bekanntgegebenen Veröffentlichung der Broschüre „Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung“ durch den Bundesjugendring und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Das gemeinsame Nachdenken geschah auf Grundlage der aktuellen Forschungsergebnisse von Professor Ahlrichs und anderen. Die Ergebnisse machten deutlich, dass Demokratiebildung nicht zusätzlich vermittelt werden muss, sondern sich als Erleben von demokratischer Praxis im Alltag der Jugendverbandsarbeit ergibt. Zudem ist Demokratiebildung nicht an bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten geknüpft. Viel mehr ist sie als die Mitgestaltung der eigenen Lebenswelt zu verstehen, die in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention benannt ist.
Daraus ergibt sich, dass Jugendverbände aufgrund ihrer Verfasstheit großes Potenzial für demokratische Erfahrungen bieten. Dafür sprechen konstant hohe Mitgliedszahlen, demokratische Erfahrungen durch Mitbestimmungsmöglichkeiten in Verbandsgremien sowie in den vielen örtlichen Jugendgruppen mit ihren selbstorganisierten Strukturen freiwilliger Teilnahme. Diese Potenziale werden aus empirischer Sicht allerdings oftmals nicht voll ausgeschöpft.
Aus der angeregten Diskussion unter den Teilnehmenden kristallisierte sich der Wunsch nach mehr Austausch und nach weiterer, systematischer Forschung zu diesem zentralen Feld der Jugendverbandsarbeit heraus. Dem Wunsch nach Austausch entspricht der Bundesjugendring mit der neu ins Leben gerufenen Werkstatt zu Politischer Jugendbildung.
Fazit des Nachdenkens: Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie, die junge Menschen durch das Prinzip der Selbstorganisation sowie durch die niedrigschwellige Einbindung in ihre Strukturen und Gremien von Anfang an mit den Möglichkeiten der Partizipation in Berührung bringen. Doch auch in den Jugendverbandsstrukturen ist es notwendig, selbstkritisch die Formen und Wege der Beteiligung zu hinterfragen. Neben vielen Möglichkeiten, Jugendverbandsarbeit weiter zu stärken und zu verbessern, muss allerdings immer wieder selbstbewusst darauf hingewiesen werden, dass Partizipation und Freiwilligkeit seit jeher grundlegende Bestandteile und Qualitätsmerkmale jugendverbandlicher Bildungsarbeit sind.
Das Format „Nachdenken über…“ folgt bewusst den Chatham-House-Regeln: Teilnehmende dürfen freien Gebrauch von Informationen machen, die sie bekommen. Aber niemand soll die Identität und Zugehörigkeit anderer Teilnehmender preisgeben. Damit sollen Gedanken und Meinungen geschützt werden.