Gerechtigkeit Nachhaltige Entwicklung

Sozial-ökologische Verantwortung ernst nehmen – Lieferkettengesetz umsetzen

Der DBJR-Hauptausschuss hat am 9.02.2021 die Position „Sozial-ökologische Verantwortung ernst nehmen – Lieferkettengesetz umsetzen“ einstimmig beschlossen.

Mit der Herausforderung, sozial- und umweltverträgliche Kaufentscheidungen zu treffen, sind täglich viele junge Menschen konfrontiert. Die Möglichkeiten der einfachen und unkomplizierten Beschaffung verschiedenster Konsumgüter sind grenzenlos und lenken Verbraucher*innen davon ab, die Wertschöpfungskette, Produktionsorte und -bedingungen zu hinterfragen. Transparent sind diese Vorgänge selten. Freiwillig verpflichten sich nur wenige Unternehmen einer nachhaltigen Umstrukturierung und Entwicklung. Unternehmen stehen in der Verantwortung, ihren Teil für die wichtige und notwendige sozialökologische Transformation beizutragen. Insbesondere das Erreichen der Ziele der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung im Sinne des SDG 12 (Nachhaltige Produktion und Konsum) in den nächsten zehn Jahren stellt einen Meilenstein dar, der unbedingt erreicht werden muss. In dieser Hinsicht spielt nicht nur eine umwelt- und klimagerechte Unternehmenspolitik eine Rolle, sondern auch ein sozial-gerechter Umgang mit den Mitarbeiter*innen und allen Menschen, die an der Herstellung, der Lieferung und dem Handel eines Produktes beteiligt sind.

Vor dem Hintergrund der 17 Sustainable Development Goals der 2030 Agenda, an der sich auch die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands orientiert, wird deutlich, dass die Lieferketten deutscher Unternehmen Einfluss auf nahezu alle Bereiche der SDGs weltweit haben. Unverantwortliches Handeln von Unternehmen und die Außerachtlassung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten zeigen sich insbesondere in Form fehlenden Arbeitnehmer*innenschutzes entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Zudem belasten Produktionsverfahren und Transporte die Umwelt in einem gravierenden Ausmaß.

Seit 2016 werden die 2011 von den Vereinten Nationen beschlossenen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von der Bundesregierung in Form des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt. Die Untersuchungen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zeigen, dass die auf Freiwilligkeit basierenden Selbstverpflichtungen nicht ausreichend sind. Wir fordern die Bundesregierung und den Bundestag auf, das im Koalitionsvertrag angekündigte Lieferkettengesetz endlich umzusetzen. Verbraucher*innen, denen nachhaltiger Konsum und faire Produktion ein wichtiges Anliegen im Alltag sind, sind mit fehlenden Möglichkeiten konfrontiert, das Ausmaß der Handlungen von Unternehmen einzusehen. Die Nachhaltigkeitsziele der 2030 Agenda sowie die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte werden von wenigen Unternehmen angestrebt und in Unternehmensstrategien implementiert. Transparent sind diese Entwicklungen und Fortschritte allerdings selten.

Ein Lieferkettengesetz bildet aus der Sicht des Deutschen Bundesjugendrings einen zentralen Baustein für nachhaltige Entwicklung mit positiven Auswirkungen auf viele Bereiche der 2030 Agenda, insbesondere auf die SDG 1, 12, 8, 13, 14 und 15. Durch demokratische Kontrollmechanismen können Konsument*innen darin unterstützt werden, Produkte zu kaufen, deren Herstellung zu einer gerechten, sozialen und nachhaltigen Gesellschaft beiträgt. Nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen und eine verbindliche und transparente Nachhaltigkeits-Berichterstattung der großen und kleinen Unternehmen, ihrer Tochterunternehmen und Zulieferer können wir als Konsument*innen nachverfolgen, wie sehr sich die Unternehmen an den Nachhaltigkeitszielen orientieren.

Zur Ausgestaltung des Lieferkettengesetzes fordert der Deutsche Bundesjugendring daher folgende Punkte:

  • Ein Lieferkettengesetz muss nachhaltige Umstrukturierungen innerhalb der Unternehmen und der Organisation sowie Betreuung ihrer Liefer- bzw. Produktionsketten erforderlich machen, damit Menschenrechte und Umwelt wirksam geschützt werden! Deutsche Unternehmen dürfen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden für die teils katastrophalen Zustände in ihren Lieferketten. Ein wirksames Lieferkettengesetz in Deutschland würde einen deutlichen Impuls für eine EU-weite Regelung setzen. Die Bundesregierung muss sich daher dafür einsetzen, dass Regelungen zu Lieferketten auch in Europa und weltweit umgesetzt werden. Das Gesetz muss behördliche Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten auf nationaler und europäischer Ebene umfassen.

  • Neben der gesetzlichen Verankerung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten muss in der gesetzlichen Ausgestaltung die Stärkung der Kreislaufwirtschaft eine wesentliche Rolle einnehmen. Sie bildet ein regeneratives System bei dem Materialien und Produkte so lange wie möglich wiederverwendet, überholt, aufgearbeitet, repariert und recycelt werden und gilt als Gegenteil zur vorherrschenden (linearen) Wegwerfwirtschaft.

  • Soziale und ökologische Aspekte im Lieferkettengesetz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beide müssen gemeinsam betrachtet werden, um einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Weg bilden zu können.

  • Konsument*innen sollen reinen Gewissens nachhaltige und durch faire und gute Arbeit produzierte, gehandelte und transportierte Produkte erwerben. In diesem Interesse müssen auch die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisationen (ILO) angewandt und entlang der Lieferketten als konkrete Grundprinzipien einklagbar werden.

  • Geschädigten Personen in Auftragsnehmerländern muss es durch eine zivilrechtliche Haftung der deutschen auftraggebenden Unternehmen ermöglicht werden, ihren Schaden vor deutschen Gerichten geltend zu machen. Gleichzeitig müssen auch unabhängig von etwaigen zivilrechtlichen Konsequenzen klare Sanktionen für Unternehmen eingeführt werden, die gegen die im Lieferkettengesetz verankerten Sozial- und Umweltprinzipien verstoßen.

  • Neben Einzelpersonen müssen Gruppen, Verbände und Interessenvertretungen sowie nachweislich geschädigte Dritte ein umfassendes Klagerecht erhalten.

  • Nachhaltigkeitsziele und Menschenrechte einhaltendes Wirtschaften sollte in allen Phasen von Vergabe- und Beschaffungsverfahren von öffentlichen Bau-, Dienst- und Lieferleistungen sowie Einkauf berücksichtigt werden.

  • Je nach Branche sind es häufig Frauen*, die von den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen betroffen sind. Unverantwortliches unternehmerisches Handeln reproduziert die Ungleich-Behandlung in der Arbeitswelt und die kontinuierliche Benachteiligung von Frauen*. Ein Lieferkettengesetz sollte dieses unterbinden und unter anderem durch verbindliche Quoten von Frauen* in Führungspositionen echte Gleichberechtigung auf allen Ebenen der Wirtschaft schaffen. Außerdem muss das Lieferkettengesetz in allen Bereichen der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht geschlechtergerechte Aspekte berücksichtigen.

  • Wir Kinder- und Jugendverbände fordern eine eindeutige Beendigung und konsequente Sanktionierung von Kinderarbeit in den globalen Lieferketten.

  • Das Gesetz muss Zwangsarbeit jeder Art unterbinden.

  • Um Konsument*innen in ihrem Handeln zu unterstützen, fordern wir transparente und einheitliche Informationen zur Implementierung und Umsetzung nachhaltiger Strategien in Unternehmen.

 

Einstimmig bei einer Enthaltungen beschlossen im Hauptausschuss am 9.02.2021.

Themen: Gerechtigkeit Nachhaltige Entwicklung