Gerechtigkeit

Unbezahlte Praktika schaden jungen Menschen

Unbezahlte Praktika können gegen die Europäische Sozialcharta verstoßen. Das hat der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte (ECSR) entschieden. Die Entscheidung ist ein Erfolg für junge Menschen und deren Interessenvertretungen.

Eingereicht hatte die Klage das Europäisches Jugendforum vor dem Hintergrund des hohen Anteils unbezahlter Praktika in Belgien. Der ECSR hat in der Sache nun eine Entscheidung gefällt. Der Ausschuss stellt fest, dass EU-Mitgliedsstaat Belgien in zwei Punkten gegen die Europäische Sozialcharta verstößt. Belgiens Arbeitsinspektorat ist nicht ausreichend effektiv, um „Scheinpraktika“, die als verschleierte Beschäftigung mit echter Arbeit zum Profit des Arbeitgebers erscheinen, zu erkennen und zu verhindern. Dies wirkt sich dem ECSR zufolge diskriminierend aus, da den Scheinpraktikant*innen das Recht auf ein faires Arbeitsentgelt – das anderen Werktätigen, die eine ähnliche Arbeit im Rahmen eines regulären Arbeitsvertrags ausüben, garantiert wird – in der Praxis verwehrt wird.

„Die Entscheidung ist ein Erfolg für junge Menschen und zeigt, wie wichtig das Engagement ihrer Interessenvertretungen ist. Gratulation an das Europäische Jugendforum und alle involvierten Jugendverbände!“, sagt Marius Schlageter, stellvertretender Vorsitzender des Bundesjugendrings. „Junge Menschen haben hohe Erwartungen an verbindliche Maßnahmen in der Sozial- und Beschäftigungspolitik. Es braucht gemeinsame Standards für Arbeitsbedingungen. Dazu zählt die Abschaffung unbezahlter Praktika.“

Unvergütete Praktika führen auf lange Sicht häufig nicht zu dauerhaften, positiven und stabilen Beschäftigungsperspektiven, sondern zu langfristig prekären Erwerbsverläufen, die häufig eine Mehrfachbeschäftigung erzwingen. Dies hat nachhaltige und negative Auswirkungen auf die Lebenswelt junger Menschen: Die Unsicherheit der Beschäftigung erschwert eine langfristige Lebensplanung, was vor allem ein großes Problem für die junge Altersgruppe ist. Die Kreditwürdigkeit junger Menschen ist bei solcher atypischer Beschäftigung deutlich herabgesetzt. Sich eine eigene Wohnung leisten zu können oder gar langfristig Wohnraum zu erwerben oder zu bauen, wird damit hinfällig. Häufige Arbeitsort- und Arbeitsplatzwechsel erschweren zudem das Aufrechterhalten sozialer Kontakte.

Aufgrund von prekären Beschäftigungsverhältnissen wird es jungen Menschen auch erschwert, sich kontinuierlich und langfristig an der Jugendarbeit und anderen Formen des gesellschaftlichen Engagements zu beteiligen. Die aktive Teilnahme an einer demokratischen Gesellschaft wird hierdurch verbaut. Atypisch Beschäftigte haben zudem geringere Aufstiegschancen und kaum die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren. Unterbrochene Erwerbsbiografien häufen sich deshalb gerade bei jungen Beschäftigten.

Lea Herzig, stellvertretende Vorsitzende des Bundesjugendrings, betont: „Die Entscheidung des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte ist wegweisend. Und sie nimmt auch die Bundesregierung in die Pflicht. Auch in Deutschland schaden unbezahlte Praktika jungen Menschen. Es ist an der Zeit, sie gesetzlich zu verbieten und Chancengleichheit herzustellen.“

Themen: Gerechtigkeit